Absetzmanagement (1/8): Was passiert beim Absetzen?

DAS ABSETZEN VON FERKELN: OPTIMALES MANAGEMENT UND NEUE HERAUSFORDERUNGEN – eine 8-teilige Serie

  1. Was passiert beim Absetzen?
  2. Absetzmanagement: Zielsetzungen im Hinblick auf die Sau
  3. Absetzmanagement: Zielsetzungen im Hinblick auf die Ferkel
  4. Haltung der Ferkel nach dem Absetzen
  5. Fütterung der Sau
  6. Fütterung abgesetzter Ferkel
  7. Absetzalter
  8. Arten des Absetzens je nach Alter der Ferkel

Die Autoren:

Emilio Magallón Botaya – Fachtierarzt für Schweine
Sara Beitia Delgado – Agraringenieurin – Landwirtschaftsbetrieb La Almenara
Pablo Magallón Verde – Technical Service PIC
David Roldan Feringan – Tierarzt – Landwirtschaftsbetrieb La Almenara
Patricia Prieto Martínez – Tierarzt bei Inga Food

Bilder von den Autoren zur Verfügung gestellt

Das Absetzen ist ein sehr wichtiger Teil im Lebenszyklus von Tieren. Für die Ferkel bedeutet dies unter anderem die Trennung von der Mutter und eine veränderte Zusammensetzung des Futters. In der Sau wiederum wird eine Reihe von hormonellen Veränderungen ausgelöst, die den Beginn eines neuen Produktionszyklus markieren.

In dieser Artikelserie werden wir versuchen, alle Fragen zu beantworten, die häufig zum Thema Absetzen/Absetzmanagement gestellt werden und wie man es am besten durchführt. Um die am häufigsten gestellte Frage “Welches ist das beste Absetzalter?” zu beantworten, müssen wir zunächst die Merkmale jedes einzelnen Betriebs prüfen: Genetik, Einrichtungen, Management, Fütterung, Personal, rechtliche Bedingungen…, denn nicht alle Betriebe können das gleiche Absetzsystem anwenden und auch nicht mit demselben Alter absetzen.

Was passiert beim Absetzen?

Für ein optimales Absetzmanagement ist es wichtig, die Veränderungen, die das Ferkel durchläuft, zu kennen sowie bestimmte Maßnahmen bei den Sauen durchzuführen, um ihre optimale Kondition für die nächste Trächtigkeit sicherzustellen.

Wie sieht die Entwöhnung in freier Wildbahn aus?

Der Entwöhnungsprozess beim Wildschwein erfolgt schrittweise, so dass die Frischlinge allmählich von einer ausschließlichen Milchernährung auf eine Ernährung ohne Milch umgestellt werden. Mit dem Heranwachsen des Nachwuchses ändert sich auch sein Nährstoffbedarf und steigt. Außerdem nimmt die Milchproduktion der Mutter ab und reicht nicht mehr aus, um den Bedarf der Jungtiere zu decken. Nach und nach werden die Frischlinge/Läufer mit fester Nahrung vertraut gemacht. Die Laktation bei Wildschweinen dauert 8 bis 12 Wochen. Einige Autoren benennen diesen Zeitraum auf 12-17 Wochen.

Was passiert in der Sau beim Absetzen?

Beim Absetzen vollzieht sich eine wichtige physiologische Veränderung bei der Sau, die von der Milchproduktion zur Wiederaufnahme des Brunstzyklus übergeht. Dieser Effekt ist auf die Unterdrückung der Prolaktinproduktion zurückzuführen, die durch die Beendigung des Säugens der Ferkel verursacht wird, wodurch der Brunstzyklus eingeleitet wird.

Die Sauen werden im Betrieb von der “Abferkelung” in einen “Deckbereich” verlegt. Dort werden sie im Allgemeinen bis zur Besamung in Einzelständen gehalten und je nach Management direkt nach der Belegung (“cover and release”-Management) oder erst ab dem 28. Tag der Trächtigkeit in Gruppen, wenn die Trächtigkeit nach etwa 25 Tagen festgestellt wurde.

Sobald die Sauen abgesetzt sind, ist es wichtig, Eber zur Stimulation einzusetzen, sodass der Brunsteintritt optimal begünstigt wird. Die Sauen werden 3-6 Tage nach dem Absetzen brünstig und ab diesem Zeitpunkt besamt.

Das Absetzen beim Wildschwein

Der allmähliche Prozess der Umstellung der Ernährung eines Frischlings erfolgt in vier Phasen:

1. Verstecken

  • Während der ersten Woche nach der Geburt.
  • Das Ferkel bleibt in dem von seiner Mutter gebauten Nest und macht sporadische Ausflüge in die Umgebung um das Nest herum.

2. Erkundung

  • Zweite und dritte Woche der Laktation.
  • Die Ferkel verlassen das Nest und folgen der Sau. Sie bleiben bei ihrer sozialen Gruppe und etablieren ein Gruppengefüge. Es gibt kaum Kontakt zu anderen Würfen.

3. Integration und Lernen

  • Von der dritten bis zur siebten Woche.
  • Die Sau lässt die Ferkel längere Zeit allein, die Abstände zwischen den Mahlzeiten (Säugen) werden größer und die einzelnen Mahlzeiten werden immer kürzer. Die Ferkel interagieren mit anderen Ferkeln in ihrer sozialen Gruppe und gehen auf Nahrungssuche.

4. Unabhängigkeit

  • Ab der siebten Woche bis 12-17 Wochen der Laktation.
  • Das Säugen wird immer seltener, bis es letztendlich eingestellt wird. Die Ferkel hören allmählich auf zu säugen, funktionieren unabhängig von der Mutter, sind aber immer noch Teil der sozialen Gruppe und schlafen bei der Mutter.

Die letzte Phase des Entwöhnens in freier Wildbahn entspricht dem sogenannte Absetz-Belege-Intervall (ABI) beim Hausschwein. In dieser Zeitspanne wird die Sau nach dem Absetzen wieder belegt. Das ABI ist ein sehr wichtiger Parameter zur Bestimmung der Reproduktionsleistung einer Sau. Durch eine optimale Energieversorgung nach dem Absetzen können Rausche und Ovulationsrate positiv beeinflusst werden, denn die Aufnahme von Stärke und Zucker beeinflusst, durch den Anstieg des Insulinspiegels, die hormonelle Umstellung von Laktation (Prolaktin) auf Fortpflanzung (LH und FSH).

Es ist wichtig, die Sauen beim Absetzen nach ihrer Körperkondition zu klassifizieren, um je nach Kondition unterschiedliche Fütterungskurven anwenden zu können, damit dünne Sauen ihre Körperkondition verbessern und dicke Sauen nicht mehr an Gewicht zunehmen.

Wie reagiert das Ferkel, wenn es entwöhnt wird?

Stress

Das Absetzen ist eine sehr heikle und stressige Zeit für das Ferkel, da es eine Reihe von wichtigen und abrupten Veränderungen durchmacht:

  • Verlust des mütterlichen Schutzes und plötzliche Trennung von der Mutter.
  • Unterbrechung der Übertragung von Antikörpern von der Mutter auf das Ferkel über die Muttermilch und damit Verlust der mütterlichen Immunität.  Das dadurch entstehende, so genannte Immunfenster, macht das Ferkel in der Zeit nach dem Absetzen anfällig für Krankheiten (Abbildung 1).
  • Wechsel der Haltungsumgebung, fast immer durch Transport, manchmal über große Entfernungen.
  • Wechsel der Aufzuchtpartner, da Ferkel aus verschiedenen Würfen zusammengestallt werden, was zu Kämpfen um die Wiederherstellung der Rangordnung führt.
  • Neue Fütterungssysteme und Tränken deren Funktionen erst  erlernt und gehandhabt werden müssen.
  • Abrupter Wechsel von warmer, flüssiger zu kalter, fester Nahrung. Schwerer verdauliche Futtermittel.
  • Erhöhter Wasserbedarf.
  • Starke Veränderungen in der Futterversorgung: Sie fressen nicht mehr alle 40-60 Minuten in (Säuge-)Zyklen, sondern erhalten ad libitum ein Futter, das sie zuvor meist kaum gekostet haben (plötzlicher Kontakt mit pflanzlichem Eiweiß).

Es ist zu bedenken, dass das Absetzen unter natürlichen Bedingungen ein allmählicher Prozess ist und erst in einem späteren Alter erfolgt, wenn das Ferkel physiologisch reifer ist. Aus diesem Grund sollte der Stress für die Ferkel während dieses Prozesses so gering wie möglich gehalten werden und die Umwelt- und Managementbedingungen müssen gezielt gesteuert werden.

Abbildung 1: Das Abklingen der mütterlichen Immunität und der Aufbau der erworbenen Immunität: Immunfenster.

Quelle: Magallón et al. (2017).
Grafik entnommen aus “Manejo y gestión del posdestete. El lechón destetado “.

Verdauungs- und Ernährungsprobleme

Die wahrscheinlich wichtigste Auswirkung des Absetzstresses ist die Verringerung der Futteraufnahme. Infolgedessen leidet das Ferkel an dem bekannten “Post-Absetz-Syndrom”, das durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist:

  • Morphologische Veränderungen am Darm, (verkürzte Mikrovilli und vergrößerte Krypta (Abbildung 2).
  • Enzymatische Veränderungen aufgrund von Ernährungsumstellungen. Nach dem Absetzen nimmt die Saccharase- und Maltaseaktivität zu, während die Laktaseaktivität abnimmt.
  • Veränderungen im Mikrobiom: Die bakterielle Vielfalt nimmt nach dem Absetzen zu und ihre Zusammensetzung ändert sich.

Bei einem gesunden Tier ist das Mikrobiom des Verdauungstrakts relativ stabil. Es enthält nützliche Bakterien wie Lactobacillus und schädliche Bakterien wie E. coli. Plötzliche Ernährungsumstellungen, Stress usw. führen zu einer Verringerung der Anzahl von Lactobacillus und zu einer Zunahme anderer schädlicher Bakterien, wie z. B. E. coli. Dies begünstigt die Besiedlung mit anderen hochpathogenen Erregern, wie z. B. Rotaviren, die die Ursache für Durchfall und eine schlechte Nährstoffaufnahme sein können.

In den letzten Jahren wird der Begriff Darmgesundheit immer häufiger verwendet. Dieser Zustand wird durch ein ausgewogenes und schmackhaftes Fütterungsprogramm in der Phase nach dem Absetzen erreicht, um Durchfall zu vermeiden. Dafür sehr wichtig sind:

  • Kenntnis der ernährungsbedingten Risikofaktoren beim Absetzen
  • Passen Sie das Futter an die Physiologie des Ferkels an.
  • Versuchen Sie, so früh wie möglich eine hohe Futter- und Wasseraufnahme zu erreichen.
  • Absetzen der Ferkel mit einem angemessenen Gewicht und Alter (dies ist der wichtigste Faktor).

Latenz-/Reaktionszeit

Von Beginn der Ferkelaufzucht an ist eine hohe und regelmäßige Futteraufnahme durch das Ferkel erforderlich, um die Unversehrtheit der Mikrovilli des Darms nicht zu schädigen. In den ersten Tagen sollte die Futteraufnahme mindestens 150 g/Tag betragen, damit das Ferkel sein Körperreserven erhalten kann. Es ist üblich, dass das Ferkel in den ersten Tagen an Gewicht verliert, weil es zu viel Zeit braucht, bis es mit dem Fressen beginnt. Dieser Zeitraum wird von einigen Autoren als Latenzzeit bezeichnet. Es handelt sich um die Zeit vom Absetzen bis zum Erreichen der regulären Futteraufnahme des Ferkels.

Das Fressverhalten von Ferkeln ist individuell sehr unterschiedlich. Im Allgemeinen sind sie sehr neugierig, so dass sie schnell die Umgebung erkunden und den Futterplatz finden werden. Es ist daher sehr wichtig, dass sie bereits in der Abferkelbucht gelernt haben Futter zu fressen, oder zumindest damit vertraut sind, auch wenn die Futteraufnahme in dieser Phase minimal ist.

Abbildung 2: Darstellung der Veränderung der Bestandteile der Mikrovilli des Darms. Die Aufnahme ungeeigneter Nahrung führt zu einer beschleunigten Vermehrung der Keimzellen, was die Absorptionszellen ausschaltet und somit die Aufnahme und Ausscheidung von Nährstoffen und Wasser im Darm beeinträchtigt. A: Darmlumen; B: Krypten; C: Schleimhaut.

Quelle: Magallón et al. (2017).
Abbildung entnommen aus “Manejo y gestión del posdestete. El lechón destetado”

Um diesen Prozess zu verstehen, ist es auch wichtig, das Fressverhalten der Ferkel nach dem Absetzen zu kennen. Wenn sie das Futter finden, werden die meisten von ihnen es probieren, auch wenn die anfangs aufgenommenen Mengen minimal sind. Erst wenn sie sich vergewissert haben, dass das Futter unbedenklich ist, werden sie es in normalen Mengen verzehren und ein geregeltes Fressverhalten annehmen. Es liegt auf der Hand, dass Ferkel, die bereits in der Abferkelbucht mit demselben Futter vertraut waren, dieses Fressverhalten früher erlernen (Abbildung 3). Es gibt auch einen kleinen Prozentsatz von Ferkeln, zwischen 5 und 10 %, die unter der so genannten Futterneophobie leiden. Diese Ferkel nehmen beim Absetzen zum ersten Mal Futter zu sich, verweigern es dann aber tagelang.

Schwankungen in der Futteraufnahme führen dazu, dass das Mikrobiom im Verdauungstrakt des Ferkels aus dem Gleichgewicht gerät und sich pathogene Bakterien wie E. coli vermehren, was zu Durchfall und Verdauungsproblemen wie der Ödemkrankheit führt.

Abbildung 3: Erfolgreiche Fressplatzbesuche mit bzw. ohne Zugang zu Futter während der Laktation

Quelle: Van Kenpem, T. (2014).
Graphik entnommen aus ” Manejo y gestión del posdestete. El lechón destetado “.

Abbildung 4: Verteilung der Wurfgrößen (lebend geborene Ferkel/Wurf) in einem Betrieb mit hoch fruchtbaren Sauen.

Um die Latenzzeit zu verkürzen, ist es sehr nützlich, eine Futterschale in der Bucht aufzustellen, die der in der Abferkelbucht ähnelt., Viele Ferkel lernen durch Nachahmung der anderen  und fressen in einer Gruppe, wie sie es in der Laktation tun.

Kontaktfreudigkeit und Rangordnung

In freier Wildbahn leben Schweine in Familiengruppen, die eine hierarchische Sozialordnung bilden, in der es in der Regel keine Probleme mit Aggressionen gibt, es sei denn, die Gruppe wird destabilisiert oder es gibt Platz- oder Futterprobleme.

Warum wird dieses Verhalten in der Nutztierhaltung nicht beibehalten?

  • Mangel an ausreichendem Raum, um auf eine Bedrohung mit Ausweichen zu reagieren.
  • Wettbewerb um Ressourcen wie Futter und Wasser.
  • Häufige Störung der Hierarchien durch das Mischen von Schweinen aus verschiedenen sozialen Gruppen, da in der Regel nach Gewicht und manchmal auch nach Geschlecht gruppiert wird.

Die soziale Rangordnung wird innerhalb der ersten 48 Stunden wiederhergestellt. Sie ist zwar nicht immer fest, aber wenn sich durch die Einführung dominanter Tiere in die Gruppe keine Änderungen ergeben, bleibt die Gesamtstruktur unverändert. In Konkurrenzsituationen, z. B. bei Nahrungsknappheit oder Platzmangel, können Tiere mit niedrigerem oder mittlerem Rang benachteiligt werden.

Diese Stresssituationen und/oder Kämpfe wirken sich negativ auf Produktionsparameter wie Zunahme oder Futterverwertung aus und führen zu einer Zunahme von Verletzungen.

Diese Artikelserie wurde erstmals in der Fachzeitschrift SUIS veröffentlicht.