Anwendung neuer Technologien für schnelleren genetischen Fortschritt – praktische Beispiele

Beschleunigung des Zuchtfortschritts

Genetische Verbesserungen spielen heute eine wesentliche Rolle bei der Verwirklichung einer modernen, effizienten und nachhaltigen Schweineproduktion. In den letzten Jahren hat der Einsatz neuer Technologien in Zuchtprogrammen ermöglicht, den Zuchtfortschritt in den Populationen zu beschleunigen und damit die Rentabilität für die Landwirte zu erhöhen.

Die Anwendung von technologischen Fortschritten in Zuchtprogrammen ist nichts Neues. Seit ihrer Gründung im Jahr 1962 hat sich PIC der technologischen Innovation verschrieben und setzt immer wieder neue Technologien ein, um eine kontinuierlich genetische Verbesserung in allen Merkmalen des Zuchtprogramms zu erreichen. Investitionen in die genomische Selektion in Verbindung mit umfangreicher Erfassung von Praxisdaten, die Erweiterung der Elitepopulationen und eine hohen Selektionsintensität haben zu den höchsten Raten im Zuchtfortschritt geführt, die PIC je verzeichnet hat. Diese Verbesserung schlägt sich in der Praxis nieder in einer höheren Anzahl und auch einer besseren Qualität der Schweine, einer höheren Robustheit, einem schnelleren und effizienteren Wachstum und einem hohen Schlachtkörperwert. Alles in allem hat das Zuchtprogramm von PIC einen geschätzten monetären Zuchtfortschritt von 3,45 € pro Schlachtschwein generiert allein im Jahr 2020.

Abbildung 1: Schnellerer Zuchtfortschritt durch die Einführung technologischer Innovationen

Trotz der hohen Zuchtfortschritts sind wir uns bewusst, dass wir noch nicht das perfekte Schwein haben. Aus diesem Grund und getreu unserem Motto “Never Stop Improving” investiert PIC in die innovativsten Technologien und sucht nach deren praktischen Anwendungen im Zuchtprogramm. Unter den derzeit verfügbaren Technologien sind besonders diejenigen von besonderer Bedeutung, die in direktem Zu-sammenhang mit der Gentechnologie stehen, wie die vollständige Sequenzierung des Genoms oder auch das Gene Editing. Derartige Innovationen werden in den kommenden Jahren höchstwahrscheinlich signifikante Meilensteine darstellen und für ein Vorher/Nachher in der Schweinezucht stehen. Andererseits und parallel dazu sind die Investitionen in die Datenerfassung in den letzten Jahren exponentiell gestiegen, so dass die Anwendung neuer Entwicklungen in der künstlichen Intelligenz und dem dazugehören-den Bereich des maschinellen Lernens bereits Realität ist. Dieser Artikel konzentriert sich auf Technologien zur Phänotypisierung und zeigt anhand konkreter Beispiele, wie die Anwendung künstlicher Intelligenz in der Schweineproduktion die Art und Weise, wie wir Phänotypen messen und unsere Zuchttiere auswählen, revolutionieren wird.

Anwendungen in der Zucht

In den gegenwärtigen Zuchtprogrammen konzentrieren sich die Selektionsziele bei den Vaterlinien in der Regel auf folgende Bereiche:

  • Effizientes Wachstum
  • Robustheit
  • Schlachtkörper und Fleischqualität

Von all diesen Merkmalen sind die Eigenschaften, die mit der Robustheit zusammenhängen, traditionell am schwierigsten genetisch zu beeinflussen. Hierfür gibt es mehrere Gründe: Die größere Schwierigkeit, das spezifische Merkmal, auf das selektiert werden soll, zu identifizieren und/oder das Merkmal objektiv und in ausreichendem Umfang zu messen, und/oder die geringe Heritabilität des Merkmals.

Ein typisches Beispiel für das Zusammentreffen all dieser Herausforderungen ist der Ansatz, auf Aspekte des Verhaltens von Tieren zu selektieren. Es ist daher zu erwarten, dass sich technologische Fortschritte bei der Datenerfassung mehr oder weniger stark auf die Zuchtziele auswirken werden. In Bereichen wie der Robustheit könnten die Erfolge eher eintreffen bzw. größer sein, da sie es ermöglichen, neue Merkmale zu beschreiben und objektiv zu messen, und so ihr Nutzen innerhalb eines Zuchtprogramms beurteilt werden kann.

Anwendung künstlicher Intelligenz in der Schweinezucht – Praxisbeispiele

Künstliche Intelligenz bezeichnet die Erforschung, Entwicklung und Anwendung von Computertechniken mit dem Ziel, Maschinen in die Lage zu versetzen, bestimmte, der menschlichen Intelligenz ähnliche Fähigkeiten zu erlangen. Das Konzept des maschinellen Lernens besteht darin, Computer mit einer enormen Datenmenge zu “füttern”, damit er diese verarbeiten, analysieren und daraus lernen kann. Auf diese Weise können wir Maschinen buchstäblich trainieren, uns bei der Auswahl von Schweinen zu helfen.

Eine der am weitesten verbreiteten Forschungsrichtungen ist heute die Kombination von Kameras, die 24 Stunden und sieben Tage die Woche Tiere aufzeichnen, mit maschinellem Lernen. Die von den Kameras erzeugte Datenmenge ist so groß, dass eine Person oder auch eine Gruppe von Personen enorm viel Zeit für die Analyse des erzeugten Materials aufwenden müsste. Und selbst wenn dies möglich wäre, würden ihre Messungen in der Regel einen gewissen Grad an Subjektivität aufweisen, der die Nutzung solcher Daten für die Zucht weniger effizient machen würde. Im Gegensatz dazu können wir durch die Kombination großer Datenmengen mit künstlicher Intelligenz wertvolle Informationen für die Zuchtauswahl gewinnen, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Automatisierung der Fundamentbewertung

Innerhalb der Gruppe der Robustheitsmerkmale zählen Fundamentprobleme zu den Hauptmerzungsgründen, sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Zuchttieren. Traditionell wird die Bewertung der Fundamente (Beinstellung, Gang, Klauen) von Fachleuten durchgeführt. Sie legen ein standardisiertes Schema an, um eine Bewertung zu erstellen, die sowohl für die phänotypische Auswahl als auch die züchterische Datennutzung geeignet ist. Ihre Bewertungen sind jedoch unweigerlich subjektiv, auch trotz regelmäßiger Selektionsabgleiche und Schulungen. Die von uns entwickelte Technologie der Bildanalyse und des maschinellen Lernens ermöglicht es uns, automatisierte Bewertungen von Körperbau und Fundament zu erstellen, um in den Elitebetrieben eine weitaus größere Datenmenge an äußerst objektiven Fundamentbewertungen zu erhalten, mit dem zusätzlichen Vorteil, dass die Arbeit in den Betrieben erleichtert und die Genauigkeit der Daten erhöht wird.

Abbildung 2: Automatisierte Erfassung und Bewertung von Körperbau und Fundament

Verhaltensstudien

Weitaus komplexer ist die Erfassung von Daten über das Verhalten der Tiere. Die 24-StundenAufzeichnung von Schweinen, die unter Praxisbedingungen aufgezogen werden, ist eine einzigartige Gelegenheit, Daten zur Analyse des Verhaltens unserer Schweine zu gewinnen. In den Versuchsbetrieben von PIC (Abbildung 3) bringen wir einer Maschine bei, diese Aufzeichnungen zu analysieren. Das Ergebnis ermöglicht die individuelle Aufzeichnung von Aspekten wie Ruhe und Aktivitätszeiten, Zeiten an den Futterautomaten und Tränken, die Untersuchung des Verhaltens und der sozialen Interaktion der Tiere unter verschiedenen Umweltbedingungen usw. Durch die Entwicklung spezifischer Algorithmen ermöglicht diese Technologie die Beschreibung neuer Merkmale, die genetisch verbessert werden können. Darüber hinaus liefern die gewonnenen Informationen wertvolles Knowhow für die produktionstechnische Beratung für Schweineproduzenten. Denken Sie zum Beispiel an die Analyse von Verhaltensänderungen in Verbindung mit verschiedenen Umweltbedingungen wie Futter, Belegdichte oder Klima.

Abbildung 3: Automatisierte Aktivitätserfassung auf einem PIC-Versuchsbetrieb

FertiBoar

Während sich die oben genannten Beispiele noch in der Entwicklungsphase befinden, bevor sie kommerziell genutzt werden können, ist die FertiBoarTechnologie bereits Realität und daher ein Beispiel, das es wert ist, näher beschrieben zu werden.
Die FertiBoarTechnologie ermöglicht eine frühzeitige Vorhersage der Spermaqualität von potenziellen Besamungsebern. Mit Hilfe von Hoden-Ultraschall-Scans (Abbildung 4) und automatischer Bildanalyse durch künstliche Intelligenz (Abbildung 5) haben wir einen speziellen Algorithmus entwickelt, der es uns ermöglicht, die Spermaqualität junger Eber bereits auf dem Vermehrungsbetrieb und damit vor der Lieferung an KB-Stationen zuverlässig vorherzusagen. Die Vorteile sind vielfältig, sowohl für die KB-Station, da Quarantänekosten erheblich gesenkt und die Qualität und Vorhersagbarkeit der Spermaportionen erhöht werden, als auch für den Landwirt dank der höheren Spermaqualität und der zuverlässigeren Lieferung gleichbleibender Qualität aufgrund der geringeren Ausfallrate junger Besamungseber.

Abbildung 4:
Hoden-Ultraschall und Messschema
Abbildung 5: Beispiel für die automatische Analyse der digitalen Hodengewebebilder

Diese Technologie stellt eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen akademischen Einrichtungen (IFN Schönow, Deutschland) und privaten Unternehmen (PIC) dar. Im Rahmen des gemeinsamen Forschungsprojekts (2017 bis 2020) wurden Ultraschallbilder und Qualitätsdaten von mehr als 1.000 Tieren ausgewertet. Die hohe Qualität dieser Forschung hat zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen und zu Innovationspreisen (Innov’SPACE und Technical Innovation at FIGAN) sowie zur raschen Umsetzung in der PIC-Ebervermehrung geführt.

Die ersten mit dieser Technologie getesteten PIC®408-Eber befinden sich bereits in einer KB-Station, in Riufred (Spanien). Ein Beleg dafür, dass dieses Projekt ein erfolgreiches Beispiel für die praktische Anwendung modernster Technologie ist. FertiBoar wird nun schrittweise in allen Ebervermehrungsbetrieben eingeführt, so dass dann alle PIC-Kunden von dieser Innovation profitieren.

Schlussfolgerungen

  • Innovation ist der Schlüssel zur Erhaltung und Festigung des Wettbewerbsvorteils. Für PIC gehört dies zu den Grundwerten des Unternehmens. Seit 1962 konzentriert sich PIC’s Forschung und Entwicklung darauf, den Landwirte konkrete Vorteile zu liefern.
  • Kontinuierliche Investitionen in die Technologie sind erforderlich, und zwar in einem Umfang, Volumen und Reichweite, die notwendig sind, um weitere genetische Fortschritte zum Nutzen der Erzeuger zu erzielen.
  • Der Einfluss von Endstufenebern auf der Ebene der Erzeuger ist schnell (verantwortlich für 50 % der Gene eines Mastschweins) und entscheidend. Damit bieten Endstufeneber ein hohes Potential für die Anwendung von Innovationen (unter Berücksichtigung der moderaten relativen Kosten für Investitionen in Vaterlinien, etwa 0,06-0,07 % der Gesamtkosten im Verhältnis zu ihrem Einfluss auf die Wertschöpfungskette beim Schwein).

Wenn Sie mehr erfahren möchten, wenden Sie sich bitte an Ihr PIC-Team.

Verfasser: Juan Manuel Herrero, Genetic Services PIC Südeuropa